KAPElle im Schlosspark
Eine Grabkapelle zu entwerfen ist nicht das alltägliche Geschäft eines Architekten. Umso mehr Neugierde und kreatives Interesse löste der Auftrag einer Familie in der Steiermark beim österreichisch-finnischen Büro BERGER+PARKKINEN aus. Eine inspirierende, atypische und besonders spannende Aufgabe, auch weil es ein “von kompromittierenden Funktionen befreites Bauwerk” sei, wie Architekt Alfred Berger fand.
Entstanden ist eine im Schlosspark freistehende Kapelle in archaisch minimalistischer Turmform, die die tradierte Grabkultur der Menschheitsgeschichte ebenso als Bezugspunkt heranzog, wie auch den besonderen Ort inmitten alter Bäume. Die Architekten schufen eine Verbindung zum in Sichtweite gelegenen Schloss und erzeugten mittels Licht und einer vertikalen Ausrichtung die für ein Grabmal passende Mystik und spirituelle Atmosphäre.
DAS MATERIAL
Untersucht man Beispiele für Architekturen aus frühen Kulturen, sind die ältesten Zeugnisse der Menschheitsgeschichte Grabmäler. Während Häuser in Holz, Lehm, Stroh und ähnlich vergänglichen Materialien errichtet wurden, stand beim Bau von Gräbern der Wunsch nach Dauerhaftigkeit im Vordergrund. Dies ist bis heute für alle sesshaften Kulturen gültig.
Im konkreten Fall stand altes Mauerwerk, das sich zum Bau der Kapelle grundsätzlich eignen würde, am Grundstück zur Verfügung. Dieser Lokale Stein stammt von einem bereits vor über 800 Jahren urkundlich erwähnten Wirtschaftsgebäude, das vor langer Zeit eingestürzt war. Das Material stimmt mit jenem der Stützmauern und auch mit dem Mauerwerk der Grundmauern des Schlosses überein.
Der Stein mit all seinen Besonderheiten wurde somit bestimmend für den Entwurf und es gelang den Architektinnen eine material-ästhetische Verbindung des Neubaus mit dem Schloss herzustellen. Die neuen Mauern entstanden somit aus den Resten alter Mauern, ein schönes Beispiel für Nachhaltigkeit und einen Kreislauf durch direkte Wiederverwendung von vorhandenem Abbruchmaterial.
DIE FORM
Stein ist nicht gleich Stein und dieser lokale Stein hat seine Besonderheiten. „Grob behauen und sehr rustikal eignet er sich nicht für feine geometrische Formen; selbst Kanten sind schwierig herzustellen. Dieses Material bringt seine Wirkung am besten in der Fläche zur Geltung“ so Alfred Berger. Somit war ein entscheidender Parameter für die Formgebung definiert. Die Lösung fand sich in der Entwicklung einer sehr schlichten Form ohne Kanten. Es entstand ein runder Solitär, der ruhig und kraftvoll seine Position in der Landschaft einnimmt. Zeitlos wie die Mauern des Schlosses, in der Präzision der Ausformung aber eindeutig zeitgenössisch.
Der nach oben, leicht konisch zulaufende Turm, weist nur drei Öffnungen auf. Das Tor und das schmale Fenster, sind mit vorfabrizierten, sandgestrahlten Stahlbeton Rahmen im Naturstein ausgespart. Die Dritte Öffnung wird durch ein kreisrundes Loch in der Deckenplatte gebildet.
DAS LICHT
Eine doppelflügelige Türe führt auf der abgewendeten Seite von einem kleinen Vorplatz in den Kapellenraum. Das schmale Fenster gegenüber gibt den Blick zum Schlossturm frei. Über diese Sichtachse ist die Kapelle der Toten an das Schloss der Lebenden angebunden.
Der geweihte Innenraum ist auch bei geschlossener Türe hell erleuchtet, durchflutet von Sonnenlicht, das durch eine Öffnung in der Decke einfällt. Das runde Loch gibt den Blick in den Himmel frei. Das von oben einfallende Licht betont die Höhe des Raumes, und schafft eine vertikale Orientierung.
Ein umgekehrter Konus mit vergoldeter Innenfläche, streut das Licht gleichmäßig nach unten in den Raum. Der intensive Lichtschein von oben erzeugt auf den rauen Steinmauern ein warmes Leuchten. Die Plastizität und Tiefe des handwerklich perfekt verarbeiteten, massiven Materials, wird durch das Licht hervorgehoben.